Kürzere Tage und längere Highlines

Geplant war, dass wir uns in München treffen und direkt Richtung Gardasee fahren. Weil in Norditalien jedoch Dauerregen und Überschwemmungen angesagt waren, ging es erst mal zum Wilden Kaiser in Tirol. Mit einem Meter Neuschnee war es zwar schon recht winterlich, dafür hatten wir einen bequemen Winterraum mit Ofen. Das neue Projekt, eine 65m lange Highliner nicht allzu weit von unserer Schlafstelle entfernt, mussten wir jedoch erfolglos abbrechen, nachdem es uns die Verbundhaken beim Spannen verbogen hatte.

Als wir zwei Tage später in Arco ankamen, hatte der Regen gerade aufgehört und es war schönes Wetter gemeldet für die nächsten Tage. Wir fuhren noch etwas weiter bis nach Sarche, wo wir Material und Proviant für die nächsten Tage zusammen packten. Es war bereits dunkel, als wir uns auf den Weg machten. Der Zustieg war steil und ausgesetzt und weil es oben kein Wasser gibt, waren unsere Rucksäcke wieder mal zum bersten voll.

Am nächsten Morgen wurden wir dafür bereits um 10 Uhr mit südlicher Sonne belohnt, so dass wir ohne T-Shirt frühstücken konnten. Bereits um 14 Uhr verschwand die Sonne jedoch wieder hinter dem nächsten Berg und liess uns in der herbstlichen Kälte zurück. Unser Zelt hatten wir auf dem einzigen halbwegs flachen Fleckchen aufgebaut, das wir finden konnten. Unser Highline-Spot befand sich praktischerweise nur gerade 10m daneben und etwa nochmals so viel weiter unten. Eine Verschneidung in einer gut 200m hohen Felswand, die senkrecht bis nach Sarche runter zog.

Unser Ziel war die «Ugly Barbarossa», eine 59m lange Highline, die Hannes und Helmar im September eingebohrt hatten. Das «Ugly» im Namen rührt daher, dass die beiden die Bohrhaken auf der anderen Seite um gut 2m zu tief gesetzt hatten. Dieses Manko hatten wir schnell behoben und mit den neu angebrachten Haken war die Line nicht nur waagrecht, sondern auch 2 Meter länger.

Doch auch diesmal hatten wir kein Glück. Nach einigen erfolgsversprechenden Versuchen auf der viel zu schweren Line, die wir verwendeten, kam es zu einem folgeschweren Sturz von Chris. Er hatte dummerweise meinen neuen Linecruiser, eine spezielle Rolle um sich über lange Highliner ziehen zu können, während dem Laufen am Zentralring seines Klettergurtes befestigt. Bei einem «Korean-Catch» wurde die Line von den relativ scharfen Kanten der Seilrolle dermassen beschädigt, dass sie zu einem Drittel eingeritzt wurde.

Unter diesen Umständen entschlossen wir uns schweren Herzens, auf weiteren Versuche zu verzichten. Mangels Material und Zeit konnten wir das Band leider auch nicht ersetzen. Stattdessen kamen wir auf die Idee, einen Reisstest mit der noch gespannten Line zu machen, da sie eh nicht mehr verwendet werden konnte. Weil es bisher noch keine bekannten Testresultate bei Rissen mit Highlines dieser Grössenordnung gibt, schien uns das eine gute Gelegenheit, um zu sehen was passiert, wenn eine 61m lange Highline reisst.

Dafür legten wir einen mit Steinen gefüllten Rucksack mit einem Gewicht von geschätzten 50kg auf die Line und durchschnitten sie ein paar Meter davon entfernt. Fazit: Wer bei einem Highline-Riss Schuhe und Lederhandschuhe trägt, ist klar im Vorteil. Am anderen Ende hingen danach bis zu 4m langen Schlaufen von der Line zwischen den Tapes runter. Je mehr Band einem unter den Füssen durchfitzt, desto schmerzhafter dürfte es werden. Der Rucksack war zwar nur einige Meter von der Schnittstelle entfernt, wies aber schon deutliche Spuren von Verbrennungen auf. Andererseits konnten wir erleichtert feststellen, dass das Redundanzseil selbst dort wo es mit der Line zusammen getaped war, in keiner Weise beschädigt wurde.

Immerhin gelang es uns dann doch noch, daneben eine neue, 35m lange Highline spannen, die zwar nicht ganz einfach zum Einbohren und Aufbauen war, jedoch durch ihre Ausgesetztheit und Schönheit bestach. Hannes lief sie als erster und gab ihr den Namen «Infected Mushroom». Obwohl sie nicht besonder lang war, taten wir uns erstaunlich schwer beim Laufen. Nur mir gelang es knapp, sie onsight zu Begehen.

Nach der «Stern Highline», die wir voriges Jahr in Arco etablierten und der «Barbarossa» gibt es mit der «Infected Mushroom» nun bereits drei lohnenswerte Highlines in dem Gebiet.

Nach Sarche ging es erst mal nach München. Bereits am nächsten Tag war ein Ausflug nach Scharnitz im Tirol geplant. Es war ein ereignisreicher Tag, den wir so schnell nicht vergessen werden.. Er endete mit einem netten Besuch bei Heinz Zak, der nicht schlecht staunte, als mit Lukas, Fabi, Chris, Andi, Hans und mir eine ganze Horde der aktivsten Highliner vor seiner Türe standen. Neben einer Fotosession auf seinem Hausdach, von wo aus er eine kurze Highline zum Wald rüber gespannt hat, plauderten wir in seinem gemütlichen Haus über die aktuelle Entwicklung des Slacklinens.

Am letzten Tag, bevor ich wieder in die Schweiz zurück fuhr, machten wir eine geeignete Brücke aus, wo wir die erste Highline in München spannen wollten. Mit der nötigen Routine gelang der Aufbau der 45m langen Highline an der Grosshesseloher Brücke problemlos und einer nach dem anderen konnte sie durchlaufen. Fabi, der als letzter dran war, meisterte dies sogar bei völliger Dunkelheit.
Noch während dem Abbauen setzte heftiger Regen ein, der erst wieder aufhörte, als ich am Abend darauf glücklich aber erschöpft in Bern eintraf.

Ein Kommentar zu “Kürzere Tage und längere Highlines”

  1. Jörg Butenuth

    Herrn
    Bernhard Witz

    Lieber Bernhard,

    vor einiger Zeit hatte ich Dir etwas zum highlinen („mushroom“) geschrieben.
    Ich würde gern noch mal Deine Gedanken zu meinen Bedenken hören. Vielleicht hast Du mal Zeit, zu antworten.
    Ich hoffe sehr, es geht Dir gut!

    Liebe Grüße, Jörg

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